„Aus dem wird noch einmal etwas“ oder „von dem werden wir nochmals hören!“ hieß es schon damals. Diese Einschätzung bewahrte ihn allerdings nicht davor, dass nach Meinung einiger damaliger Lehrer seine sichtbaren Schwächen in „Mathematik“ nicht mit seinen guten Leistungen in „Deutsch“ ausgeglichen werden könnten. Direkter Anlass war, dass Uli als pupertierender Junge von ca. 16 Jahren bei Herrn Mittag in einer Mathearbeit ein leeres Blatt – nur mit der spöttischenBemerkung versehen- abgab „Den Seinen gibt`s der Herr im Schlaf“-! Ulrich erhielt nicht nur in dieser Arbeit eine „ungenügend“, sondern in diesem Fach auch im Zeugnis. Das war nicht ausgleichsfähig und so verließ Ulrich in der 11. Klasse die PGS, die ihm seit dem 10. Lebensjahr zur Heimat geworden war. Er ging zurück in seine Heimatstadt Hannover, machte dort zunächst eine Bankausbildung und holte dann am dortigen Bismarck-Gymnasium mit zähem Fleiß sein Abi nach.
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Ulrich hat in den über 50 Jahren danach immer den Kontakt zu uns Ehemaligen gehalten: im Schulbuch 2010 (S. 38) hat er uns an seine Schulerinnerungen teilhaben lassen. Diese Rückschau auf seine „Zeit in Dassel“ begann mit: „Ich habe mir vorgenommen, nicht anekdotisch zu sein, denn die Geschichten aus dem FLIEGENDEN KLASSENZIMMER und der FEUERZANGENBOWLE kennen wir ja alle mit kleinen Abwandlungen und zusätzlichen Pointen.
Die Internatszeit begann für mich mit 10 Jahren - ich hatte 2 Jahre Heimweh, Sehnsucht nach den Zärtlichkeiten von Großmutter, Mutter und Tante, mit denen ich meine ersten Lebensjahre verbracht habe. Also, rein ins kalte Wasser einer fast militärischen Hierarchie: Direktor, Heimleiter, Erzieher, Lehrer vom Dienst, Schüler vom Dienst - und die "Großen", die die "Kleinen" als Blitzableiter für ungute Stimmungen benutzten und großzügig Prügel austeilten. Schrankkontrollen, Überprüfung der Schuhe und Sohlenprofile auf makellose Sauberkeit, Arbeitseinsatz nach den kleinsten Verfehlungen. Nach dem Mittagessen las der Erzieher vom Dienst (EVD) aus einer Kladde vor, wer von uns "Strafdienst" hatte: Ausmisten des Schweinestalls, Planierungsarbeiten, Entkeimen von Kartoffeln und vieles mehr.
Uli 1960 beim Fasching als „Charly Chaplin“ |
Uli 1960 beim Fasching als „Charly Chaplin“ Keiner von uns wird die groben Riten vergessen, mit denen Neulinge internatsreif gemacht wurden. Aufnahmeprüfungen wie: Kalte Duschen in voller Bekleidung oder im Schlafanzug mitten in der Nacht - bis zum "Taufen", also untergetaucht werden in der Ilme. Demokratie und Diskussion waren noch weitgehend unbekannt. Schüler, Lehrer und Erzieher gaben sich mit Gehorsam und Fleiß als den größten Tugenden zufrieden….“
Uli 1960 beim Fasching als „Charly Chaplin“
Uli beim Mittelball 1961 – rechts (mit Anne Rewerts, Hans Bock, Sylvia Schubert, Christiane Büchting)
In Wikepedia ist über ihn zu lesen: „Erste Erfahrung als Schauspieler sammelte Pleitgen bereits als Elfjähriger im Dasseler Internats-Theater. Einer Ausbildung an der Hochschule für Musik und Theater Hannover folgten Engagements am Berliner Schillertheater, den Schauspielhäusern Theater Basel, Bochum und Frankfurt, am Stuttgarter Staatstheater und ab 1980 am Thalia Theater in Hamburg.“
Ulrich Pleitgen in den 60er Jahren
1972 wurde er als bester Nachwuchs-Schauspieler mit dem „Berliner Kunstpreis“ ausgezeichnet, das Fachmagazin „Theater heute“ wählte ihn 1984 zum Schauspieler des Jahres.
Uli beim Mittelball 1961 – rechts (mit Anne Rewerts, Hans Bock, Sylvia Schubert, Christiane Büchting) |
Ulrich Pleitgen war der "Mann der vielen Charaktere": er schlüpfte als Schauspieler in die unterschiedlichsten Rollen - vom "guten Geist der "Familie Dr. Kleist" bis hin zum undurchsichtigen Kommissar Sander in "K3 - Kripo Hamburg" - beherrschte er die komplette Bandbreite. Seine Fans liebten ihn jedoch auch für seine Darstellung des Wolfgang Schefer in der Serie „Nicht von schlechten Eltern“, für die er 1994 sogar mit dem BAMBI ausgezeichnet wurde.
Neben seiner Bühnenkarriere, die Pleitgen am Hamburger Thalia Theater beendete (1985 bis 1989), war er immer wieder im Kino und Fernsehen zu sehen. Auf der Leinwand war er beispielsweise in dem 1986 mit dem Goldenen Bären ausgezeichneten Film " Stammheim" nach einem Drehbuch von Stefan Aust präsent. Daneben arbeitete er auch als Sprecher für Hörbücher und Hörspiele. Für das Hörbuch "Die Nadel" von Ken Follett erhielt Pleitgen 2016 die Goldene Schallplatte.
Zuletzt war der Schauspieler in der ARD-Serie 2016 als Großvater und Ökoaktivist in "Immer Ärger mit Opa Charly" zu sehen. Eine Rolle – wie er mir am Telefon berichtet hatte -, die ihm sehr läge. Zu dieser Rolle erklärte er noch vor kurzem, dass er eine Parallele zu sich selbst sehe: "Auch ich habe keine Lust, im Kopf alt zu werden und bin aktiv."
Ulrich Pleitgen in den 60er Jahren |
Privat stand Ulrich Pleitgen mit beiden Beinen fest auf der Erde. Er war ein gerader Mann, der das offene Wort liebte. Vor allem war er auch ein Familienmensch.
Seit 1975 war er mit seiner Ann-Monika zusammen, seit 1981 mit ihr glücklich verheiratet. Auf Sohn llja (aus Ann-Monikas erster Ehe mit dem Schauspieler Folker Bohnet) als promovierter Physiker war Ulrich Pleitgen besonders stolz.
Trotz unsteten Schauspielerleben führte er eine gute Ehe. So erzählte er am Telefon einmal, er vermisse schon seine Ann-Monika, wenn er nur um die Ecke zum Brötchen-Holen ginge.
Sie hatten dieselben Werte und viele Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel war ihnen beiden – obgleich Hamburger Stadtmenschen – ihr Rückzug in ihr niedliches kleines Reetdach-Haus auf dem Lande wichtig. Hier lernte Uli seine Rollen, liebte zu gärtnern oder mit der Säge Holz zu machen. "Holzhacken, regelmäßig Sport mit dem Expander und viel in der frischen Luft." lautete sein Credo. "Ansonsten interessiert mich das Alter nicht. Alter" findet im Kopf statt!“
Er habe durch seinen Beruf schon die ganze Welt gesehen und es verginge kaum eine Woche, in der er nicht vor irgendeiner Kamera stehe oder zumindest eine Lesung auf dem Terminplan habe.
1961 in Dassel: Ulrich Pleitgen rechts (mit seinem Freund Klaus D.) (Anm. beides war damals auf dem Internats-Gelände untersagt: Bier und Zigaretten!) |
Als er die Schulchronik 2016 der PGS zugesandt erhielt, meldete er sich mit einem langen Telefonat.. Es war zu spüren, wie wichtig für ihn die sechs Jahre im Internat in Dassel gewesen waren. Sie hatten ihm damals als jungen Menschen auch Sicherheit und Stetigkeit gegeben.
"Ich denke auch, dass man als Schauspieler gerade einen großen Hang zur privaten Sicherheit hat, weil man chronisch die beruflich unsichere Zukunft sieht,“ war sein Resümee.
"Treue, Verantwortung und Zuverlässigkeit sind die wichtigen privaten Dinge, wenn man einen so windigen Job ausübt", meinte Ulrich Pleitgen darüber hinaus.
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